Sigrid Nepelius: Im Gespräch mit Andreas Nikolaus Franz

31.07.2022

2022, Andreas Nikolaus Franz, Dialog, Interview

Andreas Nikolaus Franz wurde in Stuttgart geboren und lebt und arbeitet in Künzelsau (DE). Sein Schaffen umfasst Malerei, Grafik und Keramik und fällt durch ebenso detailreiche wie komplexe Darstellungen auf. Wir stehen seit einiger Zeit per Email in Kontakt und ich freue mich, ihn nun zu seinen wundervollen Arbeiten interviewen zu dürfen.

Herr Franz, vielen lieben Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen. Sie sind ja ein sehr vielseitiger Künstler – welche Technik liegt Ihnen besonders am Herzen, bzw. gibt es abwechselnde Phasen, in denen Sie jeweils eine bestimmte Technik bevorzugen?

Seit Anfang der 70er Jahre male ich Ölbilder, habe während des Studiums die Technik verbessert und auch Eitempera als Untermalung ausprobiert. Später, Mitte der 80er Jahre, habe ich mit Acrylfarbe angefangen, so konnte ich etwas schneller großformatige Bilder ohne lange Trockenzeit bewältigen. Parallel habe ich mich mit Maltechniken befasst (Max Doerner), unterschiedliche Öle, Harze etc. probiert und male seit den 90ern auch in Mischtechnik Öl/Eitempera abwechselnd, was mich sehr fasziniert, auch weil die Eitempera für Linien und die Ölfarbe für Lasuren sich optimal ergänzen. Die Acrylfarbe habe ich inzwischen auf ein Minimum reduziert (Mikroplastik). Die traditionellen Techniken sind langsamer, aber allein die Vorgehensweise hat etwas Magisches. Die Technik soll natürlich nur den Zweck erfüllen, eine Idee zu verwirklichen.

Zeichnungen dienen mir als Skizze, sowie zum Bewusstwerden der Figur im Raum (Aktzeichnen), wenn Geist, Auge und Hand im Einklang sind und eine räumliche Illusion auf Papier erzeugen. Wenn es gelingt, entsteht etwas, das über einen hinauswächst.
Es sind Zyklen in meinem Werk, die aber immer auf einer anderen Ebene wiederkehren, wie ein Wachstum in Spiralform.

Grafik ist heute als Vervielfältigungstechnik überholt, interessiert mich aber immer noch, sie hat auch diese Magie des Materials (Kupfer) und der Technik und hat dadurch einen ganz eigenen Ausdruck.

Keramik ist mir seit langem vertraut und im Moment entdecke ich für mich neue Möglichkeiten, auch von der Natur inspiriert, die dreidimensionale Erfahrung ist eine gute Ergänzung zu meiner Malerei.

Aber in erster Linie ist mir die Malerei wichtig, für die ich meine ganze Lebensenergie aufwende, um sie in Kunst umzuwandeln.


„Babylon“ 1997 Öl/Eitempera,
200 x 150 cm
 
„Wachstumswahn“ 2011-2013, Öl/Eitempera, 80 x 60 cm
 
„Unglaubliche Flugsimulation“ 2018, Öl/Eitempera, Lw. 100 x 140 cm

Dieses Ziel haben Sie meiner Meinung nach auf jeden Fall erreicht! In Ihren Gemälden tauchen häufig architektonische Elemente auf, aber auch der menschliche Körper spielt eine große Rolle. Was ist Ihre Intention in der Malerei, bzw. welche Thematiken verarbeiten Sie in ihren Bildern?

Ein Grundgedanke meines Werkes ist der Rhythmus des Lebens, das Staunen über das Mysterium der Schöpfung, die Wechselwirkung von Gegensätzen, so wie sich alles auf alles bezieht. Der Betrachter soll durch die Vielschichtigkeit der Malerei verzaubert werden. Es wird nichts beschrieben, sondern durch ruhiges Beobachten erschließt sich Tieferes, das unaussprechlich bleibt, für jeden anders.

Im Bild verbindet sich das Gegenständliche mit dem Ornamentalen, der dynamischen Bewegung des Werdens und Vergehens, während die Konstruktion bzw. Komposition für das Abstrakte, Geistige steht. Alles sind keine getrennten Bereiche, der Körper ist z B. streng nach Proportionen gebaut, aber gleichzeitig in meinen Augen eigentlich fließend, geschwungen wie ein Ornament, selbst Mensch, habe ich differenzierteste Ausdrucksmöglichkeiten durch das Figürliche.

Da wir gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen leben (Innen und Außen), möchte ich diese Faszination für das Unerklärliche bewusster werden lassen, indem ich eine Welt erscheinen lasse wie ein Theater, mit Wesen und Gebäuden, Tieren, Pflanzen, Ornamenten und Erfindungen, “aus dem Vollen Schöpfen“ ( so beschrieb es einmal Werner Baumann, ehemal. Vorsitzender des Kunstvereins Heilbronn).

Mir widerstrebt oberflächliche Unterhaltungskunst, die nur einen Teilaspekt sichtbar machen will und keine Verunsicherung zulässt. Diese Offenheit für Wunder bietet nur die Phantastische Kunst, die eigentlich ein zeitloses, tiefgründiges Phänomen ist. Der individuelle Künstler bringt eine neue Sicht auf die Welt, die unser Bewusstsein prägt.

Ich bin dankbar für die Energie, gegen den Strom schwimmen zu können. Erfahrung und Intuition sind auch an der Entstehung jedes langsam Wirklichkeit werdenden Bildes beteiligt, das doch auch die Botschaft vieler anderer, nicht gemalter Bilder, enthält, die nur als Idee existieren.

Mein Wunsch ist es, durch ein Gemälde eine Flut von inneren Bildern auszulösen. Meine Werke entstehen aus einem Gefühl und nach Zeichnungen, es sind keine Abbildungen, sondern das Konzentrat dessen, was ich versucht habe zu verstehen, Erlebtes und Ahnungen, sowie alles was mich berührt. Ein fertiges Bild, das seine Wirkung entfaltet, kann eine Kraft entwickeln, die die sich ständig wandelnde Wirklichkeit übertrifft, auch wenn dies nicht messbar ist. Bildsprache beruht ja auf Farbe und Form, auch das scheinbar Reale. Wichtig ist die Intensität, weniger irgendwelche Begriffe die eventuell vom Sehen ablenken.

Malerei lehrt uns sehen, auch in die Tiefe der Seele.


„Brunnen von Antigua“ 2008, Öl/Caseintempera, Kreidegrund, Lw.Holz, 81 x 52,5 cm
 
„Eins“ 2018/19, Öl/ Hartfaserplatte
100 x 70 cm
 
„Tor“ 2012/13, Öl/Caseintempera, Köper 200 x 140 cm


Den letzten Satz kann ich nur unterstreichen – wunderschön ausgedrückt! Wie sind Sie eigentlich bei der phantastischen Kunst gelandet – und gibt es Künstler, die Sie besonders schätzen oder die Ihren eigenen Weg als Künstler geprägt haben?

Wie jedes Kind zeichnete ich, allerdings viel und wusste doch schon sehr früh, dass ich Maler werden will. Als Kind fand ich natürlich vieles fantastisch, außer Schule. Besonders gut erinnere ich mich, wie ich Linien zeichnete die sich überlagern und zur Mitte immer kleiner wurden und diese Entdeckung, dass es durch das Papier in die Unendlichkeit quasi in eine andere Welt geht, lässt mich bis heute nicht los. Ich hatte viele Fragen mit denen ich Erwachsene nervte und die ich mir durch die tiefer gehende Erfahrung mit Kunst im Lauf der Zeit selbst klarer beantwortete. Die moderne Kunst war mir vertraut, weil mein Vater viele Drucke und Plakate in unserer kleinen Wohnung aufhängte. Später war alles voll, teilweise übereinander, auch Zeitungsausschnitte – alles was es Neues an Kunst gab.
1971 nahm mich ein älterer Freund mit in die Dali-Ausstellung nach Baden-Baden. Als ich nur das Plakat außen sah, war ich so begeistert und in der Ausstellung war dieses große Bild, der „Thunfischfang“, so etwas kannte ich bis dahin nicht. Klar war mir jetzt: Es gibt Bilder, die einen verzaubern können. Als ich später dann das Buch von Ernst Fuchs „architectura caelestis“ las und noch ein Buch über die Wiener Schule, fand ich meinen Hang zum Mystischen bestätigt. Also machte ich immer extremere Zeichnungen und Bilder, ohne Zweifel an dieser Kunstrichtung je aufkommen zu lassen. Ich lernte, wer noch alles in diese Welt gehört: Max Ernst, Hieronymus Bosch, Delvaux, de Chirico … am Anfang meines Studiums war die Wiener Schule in Mode, aber dann wurde mir immer wieder erklärt, warum das kein Weg ist. Nach Mitte der 70er Jahre, als die neuen Wilden kamen, war von den Feinheiten der Malerei wenig geduldet, ich bin aber konsequent trotz aller Widerstände immer bei meiner Phantastischen Richtung geblieben. Sehe es heute wie gesagt so: Moden (die auch für kurz ihre Berechtigung haben, aber oft in Sackgassen enden) kommen und gehen – Phantastisches bleibt intensiv und geheimnisvoll.

Abschließend möchte ich Sie bitten, unseren Lesern zu verraten, wie ihre Pläne für die nächste Zeit aussehen, und wie oder wo man Ihre Arbeiten in natura sehen kann.

Kunst ist ja nicht gleich Markt, und um einen Freiraum für individuelle und kompromisslose Unabhängigkeit zu schaffen, haben wir uns schon länger gedacht, unser altes Haus, das von einer Künstlerfamilie 1773 erbaut wurde und ein Kulturdenkmal ist, gleich als Museum und Galerie für meine Werke zu nutzen. So sind es inzwischen schon mehrere Räume, in denen wir abwechselnd und ständig Kunst zeigen.
Keramik habe ich schon in einem alten Gewölbekeller aus dem 16. Jahrhundert, der sich in der Nähe befindet, gezeigt und werde das gelegentlich wieder machen.
Durch Corona ist alles etwas anders geworden, am einfachsten ist es, mit uns einen Termin zu vereinbaren, um diese kleine Welt zu besuchen.

Jetzt plane ich “Bildbetrachtungen“, bei der ich einzelne Werke meiner Serie großformatiger Bilder, an der ich schon länger arbeite, einer kleinen interessierten Gruppe zeige, und nach schweigender intensiver Betrachtung über dieses Erlebnis, wenn es gewünscht wird, anschließend gesprochen werden kann.

Weitere Ausstellungsbeteiligungen sind teilweise auf meiner Homepage zu finden.

Durch Ihr Engagement wird die Phantastische Kunst hervorragend gefördert. Dankeschön für diese fantastische Gelegenheit, etwas über meine Kunst mitzuteilen.

Lieber Herr Franz, ich bedanke mich sehr herzlich für dieses ausführliche und interessante Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute für Ihre künstlerische Laufbahn!

Abbildungen: © Andreas Nikolaus Franz

 

Norbert Ries: Ein Gedanke zu „Im Gespräch mit Andreas Nikolaus Franz“

14.08.2022

Ich kenne keinen Künstler, der so viel Energie und Zeit für seine Werke aufbringt wie Andreas Nicolaus Franz.
Deine großartigen Formulierungen zu den Bildinhalten, bringen mich erneut zum Nachdenken was Kunst alles in einem auslösen und bewirken kann.
Wirklich phantastisch diese sehr bewegenden und unendlichen Kompositionen.

 


 

 

"Als Schwerpunkt seiner Malerei hat sich in den letzten Jahren die aufwendige Ausführung großformatiger Architekturbilder herauskristallisiert, dabei verwendet er alte Maltechniken Mischtechnik, Ölfarbe, Eitempra sowie Acrylfarben.
Die fein ausgearbeiteten großformatigen Bilder lassen auch eine nähere Betrachtungsweise zu und überraschen durch nach und nach zu entdeckende Details.
Die Bilder werden in lasierenden Schichten aufgebaut, wodurch stellenweise ein geheimnisvolles Licht von dem darunterliegenden helleren Grund reflektiert.
Spirale, Schnecke, Ammonit durchziehen unterirdisch, unterschwellig nicht nur die frühen Radierungen, sondern auch die neueren Bilder von Andreas Nikolaus Franz als Symbol und Spiegelung des Fantastischen der Schöpfung in der gegenständlichen Welt.
Franz schafft seine Werke in ineinandergreifenden Zyklen. So können seine Bilder als Variationen zum Thema "Vielfalt der Schöpfung" und "Kreislauf der Elemente" verstanden werden.
Er entführt den Betrachter in eine Art Traumwelt, verzaubert ihn, indem er Raum und Zeit um ihn her versinken lässt.
Franz will eine Gefühls- und Gedankenflut erzeugen, den Betrachter zu seiner eigenen Seele und damit zum Wesentlichen und Wesenhaften hinführen.
So kann der Betrachter die banale Welt um sich her in Frage stellen, und er muss es sich unter Umständen gefallen lassen, dass ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wird. So wird ein gegenständlicher, wenn nicht realistischer Ausgangspunkt dazu benutzt, in einer dynamischeren Weltsicht Zugang zu und Einsicht in Ideenwelten zu ermöglichen. ..."

(Helmut Brandt: Auszüge aus der Einführungsrede Ausstellung Johanniterhalle Schwäbisch Hall,1997)

 


"Andreas Nikolaus Franz' Bilder sind bestimmt von Gegensätzen. Schon in der Auswahl der Bildgegenstände zeigt sich Widersprüchliches: da verwendet er einerseits unbedeutende Alltagsgegenstände wie Wäscheklammer, Dosenöffner oder Teekanne, andererseits dienen ihm kulturhistorisch bedeutende Architekturdenkmäler - Siena, Comburg, griechische Tempel oder Taj Mahall als Vorlage.
Dann setzt Franz stereometrische, kristalline Formen, zum Beispiel Kubus und Zylinder ("Risiko" 1991), aus denen sich utopisch, technische Architekturphantasien wie aus dem russischen Konstruktivismus entwickeln können ("Dynamik", 1986), neben organisch verschlungenen Formen ("Energiezentrum", 1991 - 94).
Als verbindende Elemente dienen ihm sein filigranes Ornament, das sowohl Hintergrund als auch hin und wieder die Dinge selbst überzieht, dann die intensive Farbgebung und die starke Raumillusion, die seine Bilder bestimmen.
In jedem Bild spürt man sein Bemühen mit altmeisterlicher Geduld und Detailgenauigkeit der Bilderwelt, die, wie er sagt, fester Bestandteil seiner Innenwelt sei, Dauer zu verleihen. Franz' gegenständliche Malweise, sein genaues Erfassen der Dingwelt darf nicht als Naturalismus missverstanden werden, er verleiht seinen Dingen eine neue magische Dimension. ...
Franz' prächtige Architekturen erinnern an wirklich gesehene - Siena, Comburg, griechische Tempel, Taj Mahall - bleiben aber unwirkliche, märchenhafte, unerreichbare, zerbrechliche Traumgebilde vor einem Hintergrund aus einer anderen Welt.
Unverkennbar konfrontiert er einige prächtige Gebäude ("Echo", 1991; "Gleichgewicht", 1989) mit Vanitas-Symbolen: Knochen, Stierschädel u. a.. Überdeutlich wird das Memento mori in seinem Bild "Endstation" von 1991. Das Viadukt, Zeugnis moderner Architektur, für die nichts unerreichbar ist, wird zur Todesfalle.
Das Memento mori, die Vanitassymbole, der überschwängliche Formenreichtum in einigen seiner Bilder, die offenen und versteckten Symmetrien und vor allem die Gegensätze, formale wie inhaltliche verbinden Franz mit dem Barock.
Wer den Künstler in seinem Atelier besuchen will, wird durch ein barockes Treppenhaus, wie durch ein Schneckengehäuse zu seiner Werkstatt geführt. Hektik und moderne Geschäftsstraße sind vergessen, der Besucher befindet sich plötzlich in einem meditativen Raum.
Andreas Nikolaus Franz wurde in seinem künstlerischen Schaffen von der vorsurrealistischen Pittura Metafisica eines Chirico beeinflußt. 1971 begeisterte sich der junge Künstler nach einer Ausstellung für die Traumbilder des Surrealisten Salvador Dali. In der Stimmungslage zeigen sich in seinen Bildern Ähnlichkeiten mit Paul Delvaux und Max Ernst.
Vielmehr als mit dem Surrealisten der zwanziger Jahre zeigt sich bei Franz eine Verwandtschaft mit dem Phantastischen Realismus der "Wiener Schule". Wieland Schmied hat darauf hingewiesen, "dass es gegenüber dem "psychischen Automatismus" wie ihn die große surrealistische Bewegung um André Breton forderte, dem Phantastischen Realismus darauf ankomme, im Schaffensprozess die Kontrolle der Vernunft nie auszuschalten."

(Louis Schäfer)

 

 

"... Und dann manchmal "die Annäherung": eine Fliege, die das seltsame Werkzeug bestaunt, das nicht die Büchsen sondern eher die Erde kreisrund öffnet und das Insekt anzog, seiner Gleichheit bewusst. - da war der Demiurg am Werke oder der Gott als bricoleur, der doch die Welterschaffung zuerst mechanisch erdachte, bis es aus den Höhlen und Löchern zu sprießen begann, eine "Erosion" aus gezirkelter Fläche, ein unendlicher Raum, in dem sich die Dinge erst selbst entdecken müssen, schwebend, bevor sie den "Landeversuch" unternehmen. ...
... ich weiß heute noch nicht, ob das Kind damals wirklich töpfern konnte oder nur das kreisende Schöpferspiel beobachten lernte, das seine Bilder uns wiedergeben."

Heinz E. Hirscher

 


"... Zeichnung und Farbe begleiten sich in den gemalten Bildern, ordnen sich der zutiefst mitteilenden "beredten Stille" ein.
Scheinbar bekannte Architekturen, begleitet von alltäglichen Dingen tuen alles im Ergebnis, um den Betrachter in eine Stille zu führen, die ihn "schweigend ins Gespräch vertieft". "Zeitgeistliche" Abwegenheit, kein Geschrei, keine kokettierende "Selbstzerstückelung" macht seine Kunst zum eigentlichen Erlebnis."

Prof. Hans Gottfried von Stockhausen
Auszüge aus dem farbigen Katalog Andreas Nikolaus Franz "Malerei" (1997)

 

 

"... Unter dem Thema "Reise", "unterwegs sein", "Neues entdecken" lassen sich auch die meisten der hier ausgestellten Bilder zusammenfassen: meisterhaft beherrscht Andreas Nikolaus Franz die Wiedergabe, besser gesagt die Gestaltung von Architektur. Seien es nun die Hafenstadt auf Korsika, die römischen Ruinen, Barockkirchen oder die spiraligen Türme, die aus ganz fernen Welten zu stammen scheinen: der Künstler zitiert das reale Vorbild lediglich oder erfindet Phantasiegebilde. Alle sind aber konstruktiv präzise angelegt, mit überscharfer Perspektive, die eine starke Raumillusion schafft. Starke Unter- oder Aufsichten ziehen uns als Betrachter ins Bild hinein - wir sind quasi gezwungen, unseren Standpunkt zu überprüfen - ob wir nun die Reise mitmachen wollen oder nicht.
Franz unternimmt Ausflüge in die Kulturgeschichte: es begegnen uns die Felsenstadt Petra, eine kleine Sphinx, aus Stein gehauene antike Torsi - aber auch diese wieder durch phantastisch schillernde Farbgebung verfremdet. ..."

(Claudia Scheller-Schach, Kunsthistorikerin MA.: Auszüge aus der Einführungsrede Ausstellung Rathaus Künzelsau, 1999)

 


Andre´` Breton sagt dazu: "Ein für allemal: das Wunderbare ist immer schön sogar nur das wunderbare ist schön." Im Werk von Andreas N. Franz nimmt dieses wunderbar Schöne durchaus eine feierliche Form an, die sie über die Alltäglichkeit der dargestellten Gegenstände und Personen hebt und zugleich in der Art berührt wie Breton das über-wirkliche Schöne selbst charakterisiert: "Die Schönheit wird ein Zucken sein, oder sie wird nicht sein." Während der Traum, wie schon erwähnt, immer eine Zensur durch das Moment der Verschiebung ausübt, bleibt der surrealistische Künstler bei dem reinen Protokoll des Unbewussten, er fühlt sich als ein Medium, das ungewollte Gedanken und Bilder, die sich automatisch aufdrängen, zu gewollten Bilder macht und sie gleichsam aus dem Unbewussten über die Schwelle des Bewusstseins treten lässt.
Dies ereignet sich vielfach im Bereich einer Bildsprache, zu der auch die von Franz gehört,die mit dem Wort und dem Begriff nicht zu erfassen und auszudeuten ist....
Im Rahmen der Deutungen kann man bei seinen Arbeiten durchaus von einer Weltanschauungskunst sprechen, die aber keine Weltanschauung ideologisiert, sondern eine Welt erschafft, die nicht von Idealen, einem vorgefassten Ethos oder der reinen Vernunft geprägt ist.
In Franz Bildern webt die Einbildungskraft, die Kant noch als eine elemtare Denkkraft bezeichnet hat, ihre Welt aus den Beständen der wirklichen Welt zu einem Bild zusammen, das den Charakter einer Umschrift der Realität trägt und vom Entzug aller Konventionen lebt.

Der Surrealismus selbst strebt insgesamt eine Art von Überwirklichkeit an, die sich aus den Quellen des Unbewussten, des Traums mit seinen Verhüllungen und Andeutungen speist, wobei für die Surrealisten diese Wirklichkeit, wie der Theoretiker der Bewegung Breton fordert, jenseits der Zwänge von Vernunft, Logik und Zweckmäßigkeit liegt und eigentlich die wirkliche Wirklichkeit verkörpert. Andreas N. Franz erschließt sich die Wirklichkeit ebenfalls nicht allein rational und analytisch sondern in Form eines Traums oder einer Wirklichkeitswahrnehmung, wie sie Christoph Türcke in seiner Philosophie des Traums charakterisiert: "Wer in ihn eintaucht und sich durch seine Eigenlogik treiben lässt, wird zu jener Vorzeit gelangen, wo der Traum noch nicht auf die Schlafphasen beschränkt war, wo es auch im Wachen keine Denkweise gab als seine". In dieser Art ist die Kunst von Franz durchaus eine Welt-Anschaungskunst, welche die Welt in der von Türcke genannten Denkweise zusammenfasst und ihr in feierlicher Schönheit unverwechselbare Gestalt gibt.
Für die Schönheit der Bilder von Andreas N. Franz gilt daher auch der Satz von Lyotard, dass im Grunde die Schönheit einer Form dem Verstand immer ein Rätsel bleiben wird und man nur von der sinnlichen Präsenz eines Dings oder Körpers ergriffen werden kann. In diesem Zusammenhang verbindet sich wiederum der Surrealismus mit der Leitvorstellung der diesjährigen Biennale Making Worlds, wo es auch um Kunstformen der Weltbetrachtung und damit die anschauliche Anschauung der Welt jenseits der Begriffe, Logik und der notorischen Bewegtheit der technischen Objekte geht und die sich in den äußerlich bewegten, aber innerlich ruhenden Bildern von Franz ebenfalls wieder findet, als eine vom Geist gemachte, erschaffene und damit in einer magisch-poetischen Schönheit verhafteten Bild-Welt.

Ernst Hövelborn aus der Eröffnungsrede im KBH Heilbronn 2009

 

 

Auszüge aus dem Katalog des Phantasten Museums Wien

"ORBIS PICTUS INTUITIV und TRANSPARENT"

…. Es sind keine Illustrationen zu irgendwelchen vorgegebenen Geschichten…. Ich möchte keine Klischees und keine Apparate bedienen, oder imitieren, es ist kein Versuch technische Perfektion zu beweisen.
….Die Idee ist, intuitiv unerklärliche Zusammenhänge und eine tiefempfundene neue Sichtweise, ein ehrfürchtiges Staunen vor der Schöpfung, mit Bleistift oder Pinsel auf der Leinwand auszudrücken.
In lasierenden Schichten mit Harzölfarbe, und Ei- oder Caseintempera gemalt, wirkt mein Phantastischer Realismus durch die Intensität der Farbe sowie durch die kompromisslose klare Unmittelbarkeit der Form. Die Architektur des Körpers, das schillernde Inkarnat, die Raumillusionen, sind unverwechselbar.
Quasi aus dem Vollen geschöpft, noch unbekannte Dimensionen erforschend, möchte ich das ekstatisch urig ornamentale Alphabet, der sich in ständigem Wandel befindenden Naturerscheinungsformen, die geheimnisvoll dynamische Botschaft von Leben und Tod erzeugte Spannung von dramatischer Schönheit, einfließen lassen.
Eine Gradwanderung, Übertreibungen inklusive, die den Rahmen sprengt, gestalterische Gesetze in Frage stellt, das Berechenbare mit dem Unberechenbaren verbindet, um daraus belebte irrationale Räume entstehen zu lassen.
Wo die Worte aufhören fängt die Malerei an.
Überraschend ist der Effekt der Überwindung des Bekannten durch deren Vertiefung.
Schönheit wird nicht durch den Begriff, sondern durch Hervorholen eigentlich verborgener Magie sichtbar. Die Diktatur der Vernunft steht nicht im Vordergrund. Im Focus steht das Unbeschreibliche.
Das Gefühl verliert seine negative Aura, Details stehen in harmonischen Wechselbeziehungen zum Ganzen.

Januar 2012 Andreas Nikolaus Franz


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